Ist Justitia noch blind ? – Richterliche Beeinflussung zum Vergleichsabschluß
Am Landgericht in Münster hatte ich wieder einmal einer Begegnung der dritten Art. War ein normaler Zivilrechtsfall: Ein Handwerksunternehmen wird von der Hausverwaltung beauftragt einen Wasserschaden in der Wohnung eines Eigentümers zu beheben.
Der Eigentümer bestreitet einen Auftrag erteilt zu haben und meint, die Rechnung sei zu hoch. Die Versicherungsleistung hat er jedoch kassiert.
Im Rahmen der sogenannten “Güteverhandlung“ bei Gericht, teilte der Beklagte sogar noch mit, daß er klarerweise Interesse an der Beseitigung des Schadens hatte. Der Richter wies ihn sodann darauf hin, daß es Schadensbeseitigung nicht umsonst gäbe.
Der Richter schlug sodann gleichwohl einen Vergleich vor. Das hat für ihn den Vorteil, keine Urteilsbegründung schreiben zu müssen. Die Klägerseite lehnte den Vergleich ab, weil eine erbrachte Leistung nun mal zu bezahlen sei und klarerweise ein Vertragsschluß (Auftrag & Leistung) erfolgt sei.
Dies fand der Richter wenig erbaulich. Er wies darauf hin, und jetzt kommt der Hammer: selbst wenn er der Meinung sei daß der Beklagte die Leistung auch zahlen müßte, so wird er natürlich zunächst ein Gutachten über die Höhe der Rechnung erstellen und diese Kosten müßte die Klägerseite natürlich zunächst auch tragen und darüber hinaus würde es erneut eine Verhandlung geben und der Kläger nebst Anwalt werden dann noch einmal 250 km nach Nordrhein-Westfalen fahren müssen.
Aus anderen Fällen wüßte der Richter, daß Geschäftsführer üblicherweise anderes zu tun hätten als Gerichtstermine wahrzunehmen und sie sich lieber auf ihre Kernkompetenz (Handwerkstätigkeit) beschränken. Wir sollten doch noch einmal in uns gehen und überlegen ob wir den Vergleich nicht doch akzeptieren.
Die von Klägerseite geladene Zeugin wurde erst gar nicht angehört. Der Handwerker stimmte dann notgedrungen zu, denn das Verfahren dauerte schon 2 Jahre und weitere Jahre auf das Geld zu warten, wäre auch unsinnig.
Ich frage mich schon, ob diese „Überzeugung“ noch von der richterlichen Unabhängigkeit gedeckt sein kann.
Das wäre genauso, wenn ich eine Tankstelle fahre, meinen Tank voll mache dann zum Kassierer gehe und ihm sage: ich zahle nur einen Teil; kannst mich ja verklagen: Überleg Dir halt ob es Dich nicht mehr kostet, wenn Du dann vor Gericht auftauchen und deswegen die Tankstelle zumachen mußt.
Jeder Leser mag sich Gedanken machen, was in diesen Land eine Leistung noch wert ist. Diese Argumentation kann sich nur leisten, wer jeden Monat sein festes Gehalt ausgezahlt bekommt, unabhängig von Konjunkturzyklen.